Die Anforderungen an Sondereinsatzkräfte sind aussergewöhnlich: Sie müssen physisch und psychisch an ihre Grenzen gehen, oft unter extremen Bedingungen. Doch was macht diese Soldaten so leistungsfähig? Eine spannende Studie beleuchtet die genetischen Grundlagen der physischen Leistungsfähigkeit von Elitekräften. Die Ergebnisse könnten nicht nur für die Rekrutierung, sondern auch für die gezielte Leistungssteigerung und Trainingsgestaltung von Soldaten nützlich sein.
Genvarianten, die über die Art der Leistung entscheiden
Genvarianten, sogenannte Polymorphismen, sind kleine Veränderungen im Bauplan des Körpers. Je nach Polymorphismus werden Bauteile, die auf dem spezifischen Gen codiert sind, hergestellt – oder auch nicht. In der Studie wurden elf Polymorphismen spezifischer Gene untersucht, die eine wesentliche Rolle bei der sportlichen Leistungsfähigkeit spielen. Unter anderen wurden untersucht:
1. ACE (Angiotensin-Converting Enzyme): Das Gen beeinflusst die Blutzufuhr zur Muskulatur, es spielt eine Schlüsselrolle für die Ausdauerleistung. II Genotypen sind besser in der aeroben, DD Genotypen in der anaeroben Leistung.
2. ACTN3 (Alpha-Actinin-3): Das Gen produziert in den schnellen Muskelfasern stabilisierende Proteine. Der TT-Genotyp produziert dieses Protein nicht, CC hingegen schon. Deswegen ist das Gen als „Schnellkraft-Gen“ bekannt. Es beeinflusst es die Fähigkeit zu explosiven Bewegungen, die Muskelschäden nach intensivem Workout, sowie die Verletzungsanfälligkeit.
3. CKM (Creatin-Kinase-Muskeltyp): Dieses Gen spielt bei Energiebereitstellung eine Rolle, weil es ein Enzym produziert, das bei der anaeroben Leistung wichtig ist.
4. COMT (Catechol-O-Methyltranferase): COMT reguliert den Dopaminhaushalt im Gehirn. TT-Genotypen haben mehr Dopamin und funktionieren in Ruhe gut, während der G-Genotyp – auch «Krieger-Typ» genannt – unter Stress bessere Leistung zeigt.
Die Ergebnisse im Überblick
Die Analyse von genetischen Proben und Leistungstests aktiver Sondereinsatzkräfte führte zu spannenden Erkenntnissen:
• ACTN3: Der CC-Genotyp, der in der Bevölkerung seltener vorkommt, war bei diesen Kräften besonders häufig und korrelierte mit Spitzenleistungen in Schnellkraftdisziplinen.
• COMT: G-Genotypen hatten bessere Reaktionsfähigkeit unter Stress (z.B. bei einem Reaktionsparcours mit der FX-Waffe).
• Die Polymorphismen der Soldaten wichen den denen der Normalbevölkerung ab, was auf eine natürliche Selektion hindeutet.
Praktische Anwendungen und ethische Fragen
Die Studie zeigt deutlich, dass genetische Faktoren die körperliche Leistungsfähigkeit beeinflussen. Was bedeutet das für die Zukunft?
• Optimiertes Training: Es könnten individuelle Trainingspläne entwickelt werden, die auf die Stärken und Schwächen jedes Soldaten abgestimmt sind. So liesse sich das Potenzial jedes Einzelnen gezielt ausschöpfen.
• Rekrutierungsprozesse: Genetische Marker könnten helfen, dass Kandidaten sich für den Selektionsprozess gezielt und individualisiert vorbereiten können. Wer seine Schwächen kennt, kann auch etwas dagegen unternehmen: Je nach Polymorphismus weniger exzentrisches Training, oder das Gehirn stimulieren (Eisbad, Termindruck) wenn man etwas lernen muss.
• Ethische Fragen: Der Einsatz von genetischen Analysen wirft jedoch auch Fragen auf. Wie wird mit dieser sensiblen Information umgegangen? Genetische Voraussetzungen dürfen die beruflichen Chancen eines Menschen nie beeinflussen.
Fazit
Die Studie zeigt, dass Gen-Varianten die körperliche Leistungsfähigkeit beeinflussen. Dies könnte eine neue Ära in der Ausbildung von Elitekräften einläuten – weg von einem „One-Size-Fits-All“-Ansatz hin zu massgeschneiderten Trainings- und Auswahlmethoden. Gleichzeitig mahnen die Ergebnisse dazu, den Umgang mit genetischen Daten verantwortungsvoll zu gestalten.
Studienleiter: Alain Dössegger
Marc Baumann, Gründer Plan B Training