Vor ein paar Jahren hatte ich ein mulmiges Gefühl, das mich nicht losließ. Ich war in einer fremden Stadt unterwegs und bemerkte, dass ein Mann immer wieder in meinem Sichtfeld auftauchte – an der Bushaltestelle, später im Café und dann erneut, als ich einen Fußweg entlangging. Anfangs schob ich es auf Zufall. Doch Zufall hört auf, Zufall zu sein, wenn ein Muster entsteht.
In solchen Momenten wird klar, wie wichtig Awareness ist – das Bewusstsein für dich selbst, deine Umgebung und das Verhalten der Menschen darin. Dieses Prinzip ist nicht nur ein Werkzeug für Profis, sondern für jeden, der seine persönliche Sicherheit erhöhen will. Denn wer Situationen lesen kann, der handelt proaktiv, nicht reaktiv.
Vom Gefühl zur Bestätigung: Situatives Bewusstsein schärfen
Viele Menschen sagen: „Vertrau deinem Bauchgefühl.“ Das stimmt, aber das Bauchgefühl braucht ein Gerüst, um Klarheit zu schaffen. Damals habe ich bewusst Prinzipien genutzt, die ich später auch in unserem Awareness Trainingweitergegeben habe. Diese lassen sich einfach umsetzen, ohne in Paranoia zu verfallen:
- Beobachte, ohne zu starren: Stelle dir vor, du bist ein stiller Beobachter deiner eigenen Szene. Nimm wahr, wer sich auffällig „unauffällig“ verhält. Der Schlüssel ist unaufdringliche Aufmerksamkeit.
- Wiederholungen erkennen: Siehst du dieselbe Person mehrfach? Einmal ist Zufall, zweimal seltsam, dreimal ein Zeichen. Damals war es der dritte Moment, der mich wirklich wachrüttelte.
- Bewegungsmuster beobachten: Menschen, die dir folgen, passen oft ihr Tempo und ihre Richtung unauffällig an deine Bewegungen an. Drehte ich plötzlich um oder wechselte die Straßenseite, war er nicht weit.
Erkennen, was nicht passt – die Kunst der Vergleichbarkeit
Situatives Bewusstsein bedeutet, Normales von Unnormalem unterscheiden zu können. Frag dich:
- Passt die Person zu der Umgebung? Menschen, die sich fehl am Platz verhalten, stechen hervor – wie der Mann, der an der Bushaltestelle auf kein Verkehrsmittel wartete.
- Was machen die Hände? In den meisten Trainings sage ich: Hände lügen nicht. Sie sind der direkteste Indikator für Stress oder Vorhaben. Ein Mann, der nervös am Handy tippt oder in seine Tasche greift, ist auffälliger als jemand, der einfach seinen Weg geht.
- Bewegungen: Versetze dich in die Perspektive eines Beobachters. Versetzt laufende Personen, die seitlich zu dir bleiben, nutzen unauffällige Positionen – ein klassisches Anzeichen für Verfolgung.
Prävention durch Routinebrüche
Einer der größten Fehler ist es, berechenbar zu sein. Wenn du regelmäßig die gleichen Wege zur gleichen Zeit nimmst, machst du es Beobachtern leicht.
Als ich den Verdacht hatte, gefolgt zu werden, änderte ich spontan meine Route: Einen Umweg nehmen, plötzlich stehen bleiben, die Straßenseite wechseln. Genau hier trennt sich die Spreu vom Weizen. Ein echter Stalker oder Beobachter wird mitziehen.
Reagieren statt erstarren – Der OODA-Loop in der Praxis
Damals half mir ein Prinzip, das in vielen unserer Kurse zentral ist: der OODA-Loop – Beobachten, Orientieren, Entscheiden, Handeln.
- Beobachten: Ich sammelte Informationen, ohne Panik zu schieben. Wo taucht der Mann auf? Was macht er?
- Orientieren: Passt sein Verhalten zum Kontext? Das wiederholte Auftauchen und seine fehlende Aktivität waren rote Flaggen.
- Entscheiden: Meine Entscheidung: Ich verlasse die Situation und suche einen belebten Ort.
- Handeln: Ohne zögern brach ich meine ursprünglichen Pläne ab, ging in ein Café, rief einen Freund an und änderte die Route zu meinem Ziel.
Die richtige Reaktion entstand nicht aus Angst, sondern aus ruhiger Einschätzung der Lage. Genau das ist der Punkt: Situationen wie diese erfordern keine Heldenaktionen, sondern klare, logische Schritte.
Schlussfolgerung – Warum Awareness der Schlüssel ist
Stalking oder verfolgt zu werden, ist keine reine Hollywood-Szene. Es passiert schneller, als viele glauben. Doch wer seine Umgebung bewusst wahrnimmt, Muster erkennt und sich klare Prinzipien aneignet, hat die Kontrolle.
Das Training von Situational Awareness bedeutet nicht, in ständiger Angst zu leben. Es bedeutet, jederzeit handlungsfähig zu sein. Der Unterschied zwischen denen, die Opfer werden, und denen, die proaktiv reagieren, liegt oft darin, frühzeitig zu erkennen, was nicht passt.
Am Ende meines Vorfalls wusste ich: Mein Bauchgefühl lag richtig. Die Prinzipien haben mir geholfen, klar zu denken und die Kontrolle zurückzugewinnen. Awareness ist nicht optional – sie ist notwendig.
Marc Baumann, Gründer Plan B Training